Offener Brief an die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten

Die Kreisvorsitzenden Andrea Löwe und Candy Boldt-Händel haben die aktuellen Berichte zum Ausschluss hochrangiger Vertreter Russlands und Belarus aufmerksam verfolgt und sich intensiv darüber ausgetauscht. Gemeinsam haben sie entschieden, der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten einen offenen Brief zu übermitteln. In diesem setzen sie sich kritisch mit der Praxis auseinander, Staatsvertreter bereits im Vorfeld öffentlichkeitswirksam auszuladen und im Bedarfsfall sogar mit dem Einsatz von Sicherheitspersonal zu drohen. Sie thematisieren, welche Auswirkungen ein solches Vorgehen auf die öffentliche Wahrnehmung und das eigentliche Anliegen der Gedenkveranstaltungen haben kann.

 

Sehr geehrte Damen und Herren der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten,

anlässlich der aktuellen Diskussion um den Umgang mit hochrangig russischen Staatsangehörigen bei den Gedenkveranstaltungen zum Tag der Befreiung möchten wir Ihnen unsere Gedanken und Anregungen mitteilen.

Uns ist bewusst, dass die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten – im Einklang mit Empfehlungen des Auswärtigen Amtes – hochrangige russische und belarussische Vertreter gebeten hat, nicht an den offiziellen Gedenkveranstaltungen teilzunehmen, um einer absehbaren Instrumentalisierung des Gedenkens durch staatliche Akteure vorzubeugen.

Auch wir halten es für richtig, offiziellen Vertretern eines Staates, der derzeit einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg führt, keine Bühne zu bieten. Ebenso teilen wir die Auffassung, dass keine offiziellen Einladungen ausgesprochen werden sollten und hochrangige russische Vertreter nicht als Redner auftreten sollten. Allerdings empfinden wir die Empfehlungen des Auswärtigen Amtes als eine fragwürdige Einmischung in die Arbeit der Gedenkstätten.

Wir sehen die aktuelle Praxis, bereits im Vorfeld öffentlich anzukündigen, dass hochrangig russische und belarussische Staatsangehörige im Bedarfsfall mit Sicherheitskräften vom Gelände verwiesen werden, kritisch (mehrere Pressemedien berichteten). Solche Bilder könnten von russischen wie auch internationalen Medien gezielt für Propagandazwecke genutzt werden und die eigentliche Intention der Veranstaltung – das würdige Gedenken an die Opfer und die historische Befreiung durch die Rote Armee – in den Hintergrund drängen. Es besteht die Gefahr, dass gerade durch die mediale Vorankündigung und einen möglichen Einsatz von Sicherheitskräften die gewünschte Instrumentalisierung erst recht befördert wird und mit gezielten Störungen zu rechnen ist.

Der historische Fakt bleibt bestehen: Die Rote Armee hat maßgeblich zur Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus beigetragen. Dies sollte auch weiterhin in den offiziellen Reden klar benannt werden. Zugleich wäre es ein deutliches Zeichen, in den Redebeiträgen die aktuelle russische Aggression unmissverständlich zu verurteilen und darauf hinzuweisen, dass die Befreier von damals heute selbst für massenhaftes Leid verantwortlich sind.

Wir haben großes Verständnis dafür, dass Sie die Gedenkveranstaltungen vor politischer Instrumentalisierung schützen möchten. Dennoch fragen wir uns, ob es nicht gerade eine Form der Instrumentalisierung darstellt, wenn man öffentlichkeitswirksam Gäste vom Gelände verweist. Die Medien werden auf solche Bilder warten, und sie werden – insbesondere von russischer Seite – genutzt werden, um gegen die deutsche Erinnerungskultur Stimmung zu machen.

Als linke Politiker stehen wir fest an der Seite der Gedenkstätten und unterstützen Ihre Arbeit ausdrücklich. Ein klares Zeichen gegen den Missbrauch des Gedenkens kann auch anders gesetzt werden: durch deutliche Worte in den offiziellen Beiträgen und durch einen klaren Disclaimer, dass die Veranstaltung ausschließlich dem historischen Gedenken dient und aktuelle politische Einflussnahme vom Veranstalter untersagt wird. Dann bestünde die Möglichkeit, bei Bedarf das Hausrecht auszuüben, ohne von vornherein hochrangige Vertreter eines Landes aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit auszuschließen.

Wir danken Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und hoffen, dass Sie unsere Anregungen in Ihre weiteren Überlegungen einbeziehen.

Mit hochachtungsvollen Grüßen

Candy Boldt-Händel und Andrea Löwe

Kreisvorsitzende Die Linke Oberhavel