68,75 Euro je Quadratmeter möbliert?
Überzogene Unterkunfts-Gebühren für Geflüchtete schaden der Integration.
Stellt euch vor: Fast 70 Euro pro Quadratmeter für ein möbliertes Zimmer von oft nur 8 Quadratmetern Größe, mit Schrank und Bett, Sanitäranlagen auf dem Flur – ein „Angebot“, das wohl niemand von uns ernsthaft erwägen würde. Gelten soll dieses Angebot auch nicht für uns alle, sondern für Geflüchtete, die sich integrieren und arbeiten gehen und in einer Gemeinschaftsunterkunft leben.
Aktuell liegt dem Kreistag ein Entwurf für eine neue Gebührensatzung vor und die hat es in sich – leider im negativen Sinne. Geplant ist, Geflüchtete, die bei uns im Landkreis Oberhavel Schutz suchen, für ihre Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften kräftig zur Kasse zu bitten. Was auf den ersten Blick vielleicht nachvollziehbar klingt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als eine unsoziale und integrationsfeindliche Maßnahme.
Satte 550€ je Person sollen zukünftig fällig werden, wenn der Kreistag der entsprechenden Satzung zustimmt, satte 2200€ also für eine Familie mit 2 Kindern. In der Praxis blieben vielen Geflüchteten also bei Arbeit in Vollzeit kaum mehr als der Sozialhilfesatz zum Leben. Ablehnen können diese Menschen das Angebot hingegen nicht, denn sie sind zum Wohnsitz in der Unterkunft verpflichtet und bekommen den Platz zugewiesen.
Selbstverständlich ist es legitim, auch Geflüchtete mit eigenem Einkommen an den Unterkunftskosten angemessen zu beteiligen, daran lässt auch unsere Fraktion keinen Zweifel. Dass die genannten Beträge keinesfalls angemessen sein können, ist jedoch offensichtlich. Und sie treffen die Falschen: Wer sich integrieren will, wird bestraft. Ein Arbeitsplatz ist der Schlüssel zur Integration. Diese Satzung in ihrer jetzigen Form torpediert das. Sie bestraft diejenigen, die Eigeninitiative zeigen, arbeiten und sich ein eigenes Leben aufbauen wollen. Das ist nicht nur ungerecht, sondern auch kurzsichtig.
Auch der angespannte Kreishaushalt bietet hier keinen Grund für eine solche unsoziale Satzung. Der Landkreis hat nichts davon – das Geld kassiert das Land. Die Einnahmen gehen nicht etwa in den Kreishaushalt, um beispielsweise die Bedingungen in den Unterkünften zu verbessern. Nein, die gesamten Gebühren müssen wir als Landkreis direkt an das Land Brandenburg abführen! Gleichzeitig beteiligt sich das Land nur mit anteilig rund 100 Euro an den Unterkunftskosten.
Unser Vorschlag: Deckelung bei 300 Euro – Orientierung an der Realität! Wir haben einen Änderungsantrag eingebracht, der die maximale Gebühr auf 300 Euro pro Person und Monat begrenzt. Warum 300 Euro? Das ist kein willkürlicher Wert, sondern dieser Betrag orientiert sich an den vom Landkreis selbst festgelegten, maximal angemessenen „Kosten der Unterkunft“ (KdU) für Bürgergeld-Empfänger. Was für unsere eigenen Bürgerinnen und Bürger als angemessen gilt, muss auch für Schutzsuchende die Obergrenze sein – alles andere wäre eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung.
Wir kämpfen für unseren Änderungsantrag und eine Politik, die Geflüchteten faire Chancen auf Integration bietet, statt sie mit horrenden Gebühren abzuschrecken. Es braucht Lösungen, die den Menschen dienen.
Hinweis: In einer ähnlichen Satzung möchte der Landkreis erstmals Gebühren auch von Geflüchteten kassieren, die bereits anerkannt sind, aber noch keinen eigenen Wohnraum gefunden haben. Diese zahlen bisher nichts. Dieses Anliegen unterstützen wir im Grundsatz, fordern aber auch für diese Zielgruppe einen Deckel bei 300€.
Update: Im Kreistag am 21. Mai hat der Landrat die Satzungen nach deutlicher Kritik und einer sich abzeichnenden Abstimmungsniederlage zurückgezogen.
Alle Unterlagen dazu: Bürgerinfo Oberhavel